Briefe an Einen und Viele

ERSTER BRIEF
 

Sie sagen mir, daß Sie im „Buch vom lebendigen Gott” vieles finden, das Ihnen lange schon als eigenes Besitztum der Seele gelte, obwohl Sie nicht dazu gelangt seien, dem von Ihnen seelisch Empfundenen auch selbst „in Worten Ausdruck” schaffen zu können.
Da Sie sich nicht näher über die einzelnen Stellen des Buches aussprechen, auf die sich Ihr Gefühl des Wiedererkennens eigener Empfindung bezieht, nehme ich an, daß Sic in den einzelnen Kapiteln, die Ihnen ja doch fraglos dem Gesamtinhalt wie der Formung nach neu waren, dennoch zu weilen an Sätze gelangten, die Sie wie wort gemäße Darstellungen des bereits ohne mein Buch in Ihnen Erfühlten anmuteten.
Verstehe ich Sie damit recht, so liegt dann wirklich ein „Wiedererkennen” des auch Ihnen Eigenen vor, da Ihre Seele ja aus dem gleichen Urgrund stammt wie die meine, und ich in meinen Büchern nach nichts anderem trachte, als nach Darstellung der ewigen, von allem zeitlichen Meinen und Glauben ganz unberührten Wirklichkeit, die aller Seele Urbesitz ist, auch wenn in diesem, von physisch Körperlichem laut übertönten Erdenleben das Bewußtsein um solchen Besitz bis zu nur traumhafter Fernschau einer verblaßten Erinnerung abgedrängt wird. So betrachtet, überrascht mich Ihre Behauptung nicht im mindesten. Sie zeigt mir nur, daß einzelne meiner Worte das normalerweise während dieses Erdenlebens kaum noch faßbare Erinnerungsbild der Seele soweit in Ihnen zu verstärken imstande waren, daß es Ihnen in den berührten Punkten wortgeformt faßbar wurde. Was Sie über das Glück sagen, nun gewisse, Ihnen wohlbekannte seelische Empfindungen anhand meiner Worte „nach Wunsch und Willen” jederzeit aufs neue nacherleben zu können, ist nur eine Bestätigung des hier Erklärten, so daß Sie ganz unbesorgt sein dürfen hinsichtlich des Ihnen „merkwürdigen, aber eigentlich wohltätigen” Gefühls der erlangten Gewißheit über einen inneren Bezirk, der Ihnen vordem als ganz unerkundbar erschienen war.
Sie sind aber auch durchaus in guter Sclbstberatung, wenn Sie mir gestehen, selbst zu fühlen, wie sehr Sie noch meiner Worte bedürfen, ja, wie Sie vorerst in diesen Worten die einzigen brauchbaren „Schlüssel” zu den Schatzkammern Ihres seelischen Besitzes erkennen.
Gern höre ich weiterhin von Ihnen, wie Sie sich dieser Schlüssel zu bedienen wissen.
Sie werden zwar gewiß keinen regelmäßigen Brielaustausch mit mir erwarten dürfen. Ichmüßte mich selbervervielfachen können, sollte ich auch nur den kleinsten Teil der Wünsche erfüllen, die eine Beantwortung an mich gerichteter Briefe erhoffen. Nicht meine „kostbare Zeit”, die ich leider bis zum Überdruß in vielen Zuschriften erwähnt finde, versagt es mir, alle die Antworten niederzuschreiben, die ich von Herzen gerne geben möchte, sondern die mir verfügbare irdische Kraft, die längst über alles zulässige Maß hinaus überlastet ist. 
Sobald ich Sie jedoch in Ihren, hier ausdrücklich von mir erbetenen Berichten bei einem störenden Irrtum gewahren sollte, will ich dennoch tun, was mir möglich ist, um Sie gut beraten zu wissen.
Der Himmel segne Sie!

 

 

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