Das Mysterium von Golgatha 

„Toren glauben sich groß, wenn sie andere übersteigen
können, der Weise aber macht sich klein, damit er
sich selbst übersteige.”
 

 

DAS MYSTERIUM VON GOLGATHA

 

Zu den Zeiten des Kung fu tse lebte im Reiche der Mitte ein wundersamer Weiser, den sie Lao tse nannten.

Kung fu tse, der große Lehrer der Gesetze des glücklichen Lebens, hörte von ihm und machte sich auf, ihn zu besuchen. Von diesem Besuch zurückgekehrt, ging Kung fu tse drei Tage lang schweigend umher, so daß seine Schüler sich sehr verwunderten.

Tseu Kong aber machte sein Herz weit und frug den Lehrer, weshalb er unausgesetzt schweige?

Darauf antwortete Kung fu tse und sprach:

„Wenn ich bemerke, daß ein Mensch sich seiner Gedanken bedient, um mir wie der Vogel im Fluge zu entwischen, so bediene ich mich meiner Gedanken, wie man sich eines Pfeiles bedient, den man vom Bogen schnellt.

Unweigerlich treffe ich einen solchen Menschen und werde seiner Meister.—

Will er mir aber entwischen, wie ein hurtiger Hirsch, so verfolge ich ihn wie ein geschickter Jagdhund, hole ihn sicher ein und werfe ihn nieder. —

Will er mir entwischen wie ein Fisch, der sich in die Tiefe gleiten läßt, so werfe ich meine Angel aus, fange ihn und bringe ihn in meine Gewalt. —

Ein Drache aber, der in die Wolken steigt und in der Luft schwebt, — den kann ich nicht verfolgen!

Ich habe Lao tse gesehen und er ist wie der Drache!

Als er sprach, blieb mein Mund offen und ich vermochte ihn nicht wieder zu schließen. —

Meine Zunge hing mir vor Erstaunen aus dem Munde und ich konnte sie nicht zurückziehen. —

Meine Seele aber wurde aufgeregt und ist noch nicht wieder ruhig geworden!”

 
 Mystery of golgotha 
 
 
 

 

Diese wenigen, in den chinesischen Schriften erhaltenen Worte sprechen deutlich genug von dem ungeheuren Eindruck, den die geistige Weisheit Lao tses auf Kung fu tse machte, der wahrlich auch, auf seine Art, ein Weiser war, aber den Bereich des Intellekts allein beherrschte, während jener hoch über allem intellektuellen Wissen seine geistige Heimat fand. —

Es wird berichtet, Lao tse sei in hohem Alter, gegen das Ende seines Lebens, aus seinem Lande gegangen, — nach Westen zu, — dorthin, von wo er einst seine Lehre erhalten habe…

Im „Tao te king”, das ihm zugeschrieben wird, darf man den wesentlichen Niederschlag seiner Lehre suchen.

Man hat mit gewissem Recht darauf hingewiesen, wie nahe diese Lehre den Lehren der Pythagoräer und der Philosophie P1atos steht, ja man wollte es wahrscheinlich machen, daß Lao tse aus alter ägyptischer Mysterienweisheit geschöpft habe, und konstruierte einst so die wunderlichsten Zusammenhänge.

Ein Körnchen Wahrheit liegt, wie fast immer in ähnlichen Fällen, allen diesen Mutmaßungen zugrunde, denn Lao tse, der von dem größten weltlichen Weisen seiner Zeit Bestaunte, war einer der wenigen wirkenden Meister jener geistigen Gemeinschaft, die man symbolisch: die „Weiße Loge” nennt, der alle alten Mysterienkulte, der auch Pythagoras und P1ato ihr Bestes dankten. —

 

Während aber diese geistige Gemeinschaft als solche durch alle Jahrtausende hin stets nur in geistiger Weise aus völliger Verborgenheit heraus wirkte, fanden sich doch zu Zeiten, wenngleich äußerst selten, einzelne ihrer Glieder, die „in der Welt” lebten, bereit und willens, auch durch das gesprochene und geschriebene Wort höchste geistige Lehre zu erteilen, und einer dieser Seltenen war eben dieser Lao tse.

Nicht umsonst betont er, daß der Weise sich in seiner Lehre nach Zeit und Umständen richten müsse, denn es war ihm wohl bewußt, daß seine Lehre in seinem Volke und zu seiner Zeit nur verstanden werden könne in einer Ausprägung, die wenigstens bei den damals geistig Eingestellten Geltung zu finden hoffen durfte.

Nach Zeit und Umständen mußte sich noch jeder der ganz wenigen richten, der als ein in der Welt lebendes Glied der „Weißen Loge” Lehre in Worte zu fassen versuchte, und auch jener „große Liebende”, der diese Lehre „die frohe Botschaft” nannte, war nicht weniger seiner Sendung als der Pflicht bewußt, Zeit und Umstände zu beachten, und die Anknüpfung für das Leitseil der Lehre dort zu suchen, wo sicherer Halt dafür zu finden war. Doch, sicherer Halt ist immer zugleich: — Widerstand…

Man wird Leben, Tat und Lehre dieses in seiner Liebe Erhabensten unter denen, die sich die „Leuchtenden des Urlichtes”, die ,,Worte des Wortes” nennen, erst dann in ganzer Größe begreifen, wenn man erfaßt hat, daß auch er Zeit und Umstände weise nützen mußte, und daß er — vielleicht mehr als andere vor und nach ihm — Halt am Widerstand zu finden suchte. —

 

Es sei mir ferne, frommen Glauben hier zu stören, dem der Meister der Evangelien zum einzigen „Sohne Gottes” ward! —

Wer dieses Glaubens ist und darin Heil zu finden hofft, der darf gewiß sein, daß seine Hoffnung ihn nicht trügt, wenn er des Meisters Lehre in sich Leben schaffen läßt, und daß der Segen, der ihm werden kann, niemals gebunden ist an seine Meinung hinsichtlich der Dinge, die das Erscheinen seines Meisters einst verursacht haben.

Fühlt er sich stark in seinem Glauben, dann lese er getrost, was hier gegeben werden soll und lehne alles ab, was seines Glaubens Wurzeln nicht vertragen können!

Je stärker sein Glaube in Wahrheit ist, desto sicherer wird er aus diesen Eröffnungen neue Kräfte ziehen, denn: „Wer da hat, dem wird gegeben werden, auf daß er in Fülle habe”; — fühlt er sich aber schwach und schwankend, und ist ihm sein Glaube nur eine schwache Tröstung, die dieses Glaubens oft selber zweifelnde Lehrer, zur Pflicht der Belehrung verdammt, zu geben haben, dann lese er lieber nicht weiter, denn es steht auch geschrieben, daß: — „dem, der da nicht hat, auch das noch genommen wird, was er zu haben vermeint”. —

Wer aber die Lebenslehre des in heiliger Liebe glühenden Rabbi Jehoschuah von Nazareth als eine fromme Sage betrachten möchte, oder gar Zweifel hegt, ob dieser Gottgeeinte jemals lebte, dem soll hier einiges von dem gesagt werden, was jene von ihm wissen, deren „Bruder” und Beauftragter er war, — er, von dem man berichtet, daß er „anders” lehrte als die Lehrer seiner Zeit, — daß er sprach, „wie einer, der da Macht hat” — weil er eben als das, was er war, gar nicht anders sprechen konnte, wollte er nicht vor sich selbst unwahr werden. — —

So viel die Berichte über sein Leben und seine Lehre auch an mystischer Zutat aufnehmen mußten, so bleibt doch hier immer noch mehr des real Gegebenen zu betrachten, als rationalistische Kritik, von tieferem Zusammenhang nichts ahnend, rein äußerlich genommen, bestehen lassen kann. —

 

Leben und Lehre dieses Mannes, der seit fast zwei Jahrtausenden den Völkern des Westens zum „Gotte” ward, wird niemals nur durch philologische Quellenforschung zu ergründen sein, und das Gebäude, das als „Christentum” sich auf dem Grunde dieses Lebens und dieser Lehre erhob, ist, trotz mancher abstruser Form, durchaus nicht so leer an deutbaren Symbolen höchster Erkenntnis, wie manche seiner Verächter gutgläubig anzunehmen scheinen. —

Freilich darf man die Reinigung, die der ehrliche, kraftvolle Augustinermönch von Wittenberg auf seine Weise in heiliger Einfalt erstrebte, nicht nun für alle Zeit als gelungenes Werk betrachten, darf nicht seinem bäuerlich-naiven Gottes- und Teufelsglauben jene geistige Einsicht verehrungsblind zugestehen, die nötig gewesen wäre, um hier eine wirkliche „Reformation” unter sorgsamstem Schutze ihm unzugänglicher, tiefster Symbole, durchzuführen. —

Noch ist die Tat, die er getan zu haben glaubte, einst zu tun, und anders zu tun, als er, bei aller Kraft seines großen Wollens, sie zu tun vermochte…

Er aber mußte den Boden schaffen, auf dem einst jener sicheren Stand finden wird, der diese Tat aus tiefstem Erkennen heraus vollbringen kann.

Dann erst werden die urtiefen Mysterien des Christentums, aus verschütteten Schächten gehoben, aller Menschheit einleuchten, und ihr Licht wird jenes Dunkel endlich hellen, das für so viele den Weg ungangbar macht, den einst der Meister von Nazareth in sich selbst, für alle, die ihm folgen wollten, bahnte.

Dann erst wird man verstehen, weshalb dieser weise Liebende berechtigt war, den Seinen zu sagen:

„Ohne mich könnt ihr nichts tun!”

Weshalb er sich selbst den „Rebstock” und die Seinen die „Reben” nannte, — weshalb er verlangte, daß jeder, der „das Leben” in sich haben wolle, das in sich aufnehmen müsse, was in ihm selbst, dem Meister, „Fleisch und Blut” geworden war. —

 


Wahrlich, hier ist urgründige Weisheit, aber sie kann nur gefunden werden, wenn man weiß, wer dieser „Sohn des Menschen” war und woher er kam. Wer es ganz erfaßt, der mag zuletzt mit Staunen sehen, daß das „Dogma” durch die Wahrheit keineswegs entwurzelt wird!

Die es seit Jahrhunderten schützen zu müssen meinen, ahnen nicht, daß seine Wurzeln viel tiefer reichen, als ihr Glaube vordringt, und daß unter dem Flugsand theologischer Spekulation, den sie wieder und wieder durchsieben, säftequellendes, ewiges Erdreich zu finden ist, das sie nur deshalb nicht entdecken, weil sie in unnützem Spiel nicht müde werden, magische Figuren in den Sand der Oberfläche zu zeichnen, wähnend, daß aus dieser Zeichen Zauberkraft allein das Heil erblühe, das der Meister allen, die in ihm sich einen wollen, einst verheißen hat.

 

Den einzigen „eingeborenen Sohn des Vaters” sieht der gläubige Christ in dem Meister, nach dem er sich nennt, aber der Meister selbst, „voll der Gnade und Wahrheit”, bekennt, daß in seines Vaters Hause „viele Wohnungen” sind, daß es ihm nicht zustehe, zu bestimmen, wer zu seiner Rechten und seiner Linken säße in seines Vaters Reich, und daß „der Vater größer” ist als er. —

„Wenn ich auch von mir selbst Zeug nis gebe, so ist doch mein Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisset nicht, wo her ich komme oder wohin ich gehe.” —

So wird auch bis auf den heutigen Tag kein Sinnen und Glauben ihn rein in seiner ureigensten Wesenheit erfassen, es sei denn, der also Sinnende und Glaubende wisse, „woher” der Meister kam und „wohin” er ging, — wisse, daß hier einer der „Leuchtenden des Urlichtes” vor ihm steht, von seinen „Brüdern” bis auf diese Stunde als der größte „Liebende” unter ihnen voll Bewunderung verehrt, ausgegangen aus ihrem Kreise und zurückgekehrt zu ihm, um in un sichtbarer Gestaltung die geistige Aura der Erde nicht eher zu verlassen, als bis der letzte der Menschengeister, die hier im Tiere leben, einging zum Licht. —
 

Was immer einer dieser „Leuchtenden des Urlichtes” von sich selbst sagen mag, um „Zeugnis von sich selbst” zu geben, das sagt er als Repräsentant der ewigen, geistigen Viel-Einheit, in der er steht. Es gilt gleichzeitig, von ihm selbst, wie von allen, die mit ihm ver-eint die Gemeinschaft der „Leuchtenden des Urlichts” bilden. —

Ohne das Sein dieser kosmisch-geistigen Ver-Einung wäre der geistige „Mensch”, der durch den „Fall”, durch eigenen Impuls in eine andere „Dimension” sich verirrte, längst völlig im Erdenmenschtiere der Umnachtung verfallen, dem ewigen und einzig wirklichen „Tode”, — der Auflösung seiner geistigen Individualempfindung, der Rückkehr in das ungeformte „Chaos”, die Seins-Nacht des Urgrundes, dem er einst, formgeworden, entstieg, in diesem ewig sich selbst zur Form zeugenden Urgründe „gezeugt”, nicht „erschaffen”! — — —

 

Ewige Liebe, glühend gleich einem unfaßbaren Lichtfeuerquell inmitten des urgründigen „Chaos”, — ewiges „Ur1icht”, — spricht sich selbst zum „Ur-Wort” aus, in unendlichfältigem „Echo” gleichsam sich selbst vernehmend in unendlichfältiger Selbstdarstellung. —

So „ergeht das ,Wort’ des Herrn in alle Lande”, und in jedem dieser „Worte” wird es sich selbst zu anbetender „Ant-wort”, in jedem ist es die glühende „Sonne”, die aus sich ihr „Planetensystem” erzeugt, — die individualisierte „Gottheit” des individuellen Geistes, den sie aus sich heraus fortzeugend gebärt…

Aus diesem „Herzen Gottes”, dem Lichtfeuerzentrum alles Seins, dem Quellgrund im ungeformten „Chaos”, den kein menschliches Wort erfaßt, es sei denn, man nenne ihn: „die Liebe, die aus sich selbst ist”, — — stammt der „Heilsplan”, in der Liebe gegründet von Ewigkeit her, der die Viel-Einheit der „Leuchtenden” gestaltet, damit sie rette, was verloren scheint, in selige Seinsgewißheit wiederbringe, was sich selbst zerstreute und so das Empfinden seiner Eigenform verlor. —

 

Gezwungen, in zeitlichen Bildern zu reden, weiß ich wohl, daß mancher, stolz und gewiß, seines begrifflichen Erkennens froh, solches Geschehen in dem, was „ewig” ist, als „absurd” erklären wird, allein das wirkliche „Ewige” ist ein anderes als der Begriff, den sich intellektuelles Vorstellen schuf, und keine Weisheit des Verstandes wird je den Begriff zu bilden vermögen, der sich hier mit der Wirklichkeit deckt…

In tiefstem Fühlen nur läßt sich für jene, die „guten Willens sind”, ein weniges von dem erahnen, was das Ewige in Wirklichkeit ist, und alles spekulative Erdenkenwollen muß an dieser Wirklichkeit zerschellen. —

Von allen, die auf Erden leben, kann stets nur einer, der „zurückgefunden” hat, dorthin, von wo er einst als Geistform ausgegangen war, von dieser „Wirklichkeit” wahrhaftes Zeugnis geben.

„Keiner kommt zum Vater, außer durch mich!” — —

Der dieses Wort einst prägte, gehört zu den wenigen, die das Wirkliche „von Angesicht zu Angesicht” erfahren hatten, längst ehe sie auf dieser Erde eines Menschentieres Körperhülle fanden, aus der sie leibhaft lehren können, was „der Vater” sie zu künden heißt.

 

Jeder der „Leuchtenden des Urlichtes”, aber auch nur, wer zu ihnen aus Kraft und Sendung des „Ur1ichtes” zählt, darf das gleiche Wort aus innerster Geistwesensgleichheit von sich aus mit gleicherBedeutung gebrauchen, wie es von dem Meister der Evangelien berichtet wird, und dennoch ehren in ihm alle seine Brüder den, der alle, die bisher als Menschen über diese Erde schritten, übertrifft an Liebeskraft. —

So sehr auch jeder einzelne, der je zu der Gemeinschaft zählte, aus der Liebe lebt, so war doch keiner noch, der so sein ganzes Sein in Liebe überformt der Welt zu lebendiger Hilfe dargeboten hätte, wie dieser, den sie selbst „den großen Liebenden” nennen.

Was er der Menschheit gab, ist nur von Seltenen erahnt worden. —

So sehr übersteigt seine Tat alle menschliche Fassungskraft, daß jene Ersten, die dieser Tat Größe ahnten, ihn vor sich selbst zum Gotte machen mußten, um sich von solcher Größe des Menschen nicht erdrückt zu fühlen! — — —

Doch sein Erlösungswerk braucht keine Mythe, die von einem rachelüsternen Stammesgotte zu erzählen weiß, der seinen „Sohn” als Mensch der Menschheit schickt, damit sein eigener Rache durst durch ihre Grausamkeit befriedigt werde.

Was dieser „große Liebende” der Menschheit als ein Erbteil aus dem Reiche des Geistes darbot, war auch wahrlich anderes als jene „stellvertretende Genugtuung”, die sich bequemes Heilsbedürfnis ausersann, um selbst zu keiner eigenen Tat mehr Pflicht in sich zu fühlen. —

Am Kreuze von Golgatha wurde wirklich die Welt von einer Bindung „erlöst”, wenn auch in durchaus anderer Weise, als die Ahnenden es zu fassen versuchten! — —

 

Als der Meister von Nazareth den von ihm in seinen höchsten Stunden stets gesuchten Tod endlich am römischen Kreuzesgalgen erlitt, vollbrachte er ganz unvergleichbar Größeres, als was so mancher vor und nach ihm tat, der das Leben dieser Erde seiner Überzeugung opferte. —

Der einst auf Golgatha am Kreuze starb, war an jener Stätte der einzige, der mit aller Klarheit wußte, was geschah, und nur er allein war auch imstande, durch diesen Liebestod die Riegel aufzusprengen, die das Tor zur Freiheit für den Geistesmenschen schlössen, seit er, im Tiere dieser Erde, dieses Tieres Trieb und Neigung so erlegen war, daß die Er-lösung von des Tieres Schicksal kaum mehr möglich schien. —

Nur ein „Wissender” konnte erkennen, daß es höchster Liebestat eines Menschen möglich sei, eine geistige Kraft im Bereiche menschlicher Macht aufs neue zu erwecken, — so zu erwecken, daß sie allen ergreifbar werde, um die sich das Schlinggewächs tierhafter Lebensinstinkte bedrohend festgerankt zeigte, — daß nur einer, der das Tier mit seinem Geistigen zu einem neuen Sein verschmolzen hatte, die Gasse bahnen konnte, denen, die ihm folgen wollten. —

Freilich: — dieser „Wissende” mußte zugleich in unerhörtem Maße ein Liebender sein, um die erschaute Tat vollbringe n zu können, denn gar viele vor ihm hatten das gleiche Wissen und vermochten es doch nicht, den Schauder vor der Tat zu bezwingen, obwohl auch sie gewiß nicht ohne Liebe waren. — —

 

So wurde durch Jesus von Nazareth der Weg zum Geiste für alle erschlossen, die in sich selbst zum Leben bringen wollen, was sein Leben war. —

Der Gott im Tiere hatte in ihm das Tier sich geeint in jenem neuen Sein, das er den „Menschensohn” zu nennen pflegte, der „Sohn”, den der Geistmensch im Tiere zeugt, wenn er das Tier, durch das er gefesselt war, überwunden hat, indem er ihm seine Kraft und Schönheit 
offenbarte. —

In jedem der „Leuchtenden des Urlichts” begibt sich das gleiche, aber keiner fand in sich das Übermaß der Liebe, das ihn dazu geleitet hätte, nun auch die Tat zu tun, durch die der Meister von Nazareth eine Kraft zu neuem Leben weckte, um deren Erlangung sich von alters her die Weisesten allein ihr Leben lang mühten, ohne sie andern in gleicher Weise nutzbar machen zu können. —

 

Nicht der Tod als solcher führt die Erneuerung jener Kraft in der geistigen Aura der Erde herbei und nicht durch die Marter, die dem Tode des Meisters vorausging, wurde sie bewirkt.

Die Kraft der Liebe allein vermochte das Wunder zu vollbringen! — — —

Daß er, der da Marter und Tod erlitt, der Menschheit „vergeben” konnte, vergeben bis zum letzten Todesröcheln, das allein war seine wirksame „Erlösungstat”, denn nach geistigem Gesetz wurde hier der Geistmensch, wo immer er auf der Erde lebt und, durch das Tier bezwungen, in Schuldverstrickung gelangt, von seiner Abhängigkeit ge1öst durch die Liebe, — sofern er nur die Hand ergreifen mag, die sich ihm zur Hilfe bietet, sofern er das, was des Leuchtenden „Fleisch und Blut” geworden war, in sich aufnehmen wird, um das Tier in sich dem Geiste zu einen…

Nur einer, dem „der Vater alles übergeben” hatte, konnte solche „Vergebung” bringen, die alle Menschheit umfaßt!

Tiefe Wahrheit birgt sich im Gewand der Mythe, wenn alte Überlieferung den Meister nach seinem Kreuztode „hinabsteigen” läßt zu den Seelen der Gerechten der Vorzeit, denn die Folge seiner Tat ist an keine Zeit geknüpft, wird fühlbar den längst Entrückten, wie denen, die erst nach Jahrtausenden geboren werden. —

 

Als abgeschmackte Torheit mag denen, die nur gelten lassen, was ihre tiergemeinsamen Sinne betasten, vieles erscheinen, was hier zu sagen ist.

Sie können im wörtlichsten Sinne nicht „begreifen”, daß eines einzigen Menschen Tat die geistigen Möglichkeiten für alles, was Mensch heißt, zu verändern imstande war.

Wer hier nicht folgen kann, oder mag, den suche ich wahrlich nicht zu „bekehren”!

Ich erinnere ihn nur daran, was die gesamte Menschheit dieser Zeit gewissen Einzelnen auf jenen Gebieten dankt, die allen tiersinnlich wahrnehmbar sind! —

Wie weit folgetragender aber der Einzelne, der Berufung trägt, von geistiger PDF Seite her zu wirken vermag, entzieht sich freilich dem äußeren Blick, und nur der ist imstande, ein weniges davon zu fassen, dem selbst die Aufgabe ward, im Geistigen und vom Geiste her zu wirken. — —

Wem aber der Meister von Nazareth aus tiefstem Ahnen heraus als der große Wirkende eines Werkes erscheint, das kein anderer jemals für die Menschheit wirkte, der prüfe und befrage in heiliger Weihestunde sich selbst, ob er dieses Werkes Frucht zu nutzen willens sei durch eigene Tat: — indem er sich selbst der Kraft verbindet, die der Meister neu erweckte, indem er sich selbst aus dem Zwiespalt zwischen Gottheit und Tierheit reißt, — dadurch, daß er das, was in seinem Meister „Fleisch und Blut” geworden war, in Kraft und Wahrheit in sich aufnimmt, auf daß es auch in ihm die Einigung des Erdenmenschlichen mit dem Göttlichen bewirke!

 

Manche Großtat Edler und Erhabener ist schon im Laufe der Jahrtausende dem Gedächtnis der Menschheit verschollen, aber die spätesten Geschlechter dieses Planeten werden noch um das Mysterium von Golgatha wissen, ja, es steht zu hoffen, daß sie weit mehr davon empfinden werden, als bis zum heutigen Tage offenbar werden konnte.

Als ein strahlendes Lichtmal unfaßbarer Liebesgröße leuchtet jenes Evangelienwort durch alle Zeiten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!”

Nur ein „Leuchtender des Urlichtes” konnte es sprechen, und dennoch wagte keiner das, was dazu Vorbedingung war, außer dem einen! — dem „großenLiebenden”…

Auch heute noch und bis ans Ende der Tage des Menschen auf der Erde ist dieser „große Liebende”, in geistiger Gestaltung, vereint mit allen, die gleich ihm jene geistige Kette bilden, die das vergänglich Sinnliche mit dem Ewigen verbindet, den Seelen, die ihn rufen, nahe!

„Wer es fassen kann, der fasse es!” —

Der dies schrieb, gibt von ihm Zeugnis, wie er von dem Dasein der Sonne Zeugnis geben könnte…

 

Kein Glied der Viel-Einheit der „Leuchtenden des Urlichts” ist jemals von den anderen Gliedern dieser geistigen Gemeinsamkeit getrennt, keines wirkt allein aus sich!

Auch jener, der einst liebend und gewaltig vor fast zweitausend Jahren die „frohe Botschaft” seinen allzu unweisen Schülern kündete, wirkte und wirkt, wie ehedem, so auch heute noch, niemals nur aus sich allein. — —

Auch er ist gehorsam der Weisung, die ihm, gleich allenseinen Brüdern, aus dem „Urworte” wird, dessen „Worte” alle jene sind, die, ihm vereinigt, hier auf dieser Erde wirken. —

Auch er ist Untertan „dem Vater”, — der über aller Fassungskraft erhabenen geistigen Wesenheit, die der eigentliche „Meister” in jedem der „Leuchtenden”, — das heilige Oberhaupt aller Brüder auf Erden ist, jenes Unnennbaren, der da ist wie eristvon Ewigkeit zu Ewigkeit, — im „Ur-Wort” verharrend und dennoch in einer geistigen Form den „Leuchtenden” dieser Erde stets gegenwärtig, ihrem Schauen enthüllt, und durch jeden, — je nach seinen Kräften, seiner Artung, — wirkend das Werk der ewigen Liebe…

 

In diesem Unnennbaren vereint, in dem des „Urwortes” erstes Selbsterfassen Form und Wirkung wird, — als das „Wort”, das „bei Gott” und das „Gott” in der Gottheit ist, — sind alle „Leuchtenden des Urlichtes” im Willen und Bewußtsein ewig nur Eines! — —

Einheit ist Schlußstein und Krönung fundamentaler Vielheit in allem Leben geistig-kosmischen Seins, wie die Vielheit der Farben sich vereinigt im reinen weißen Lichte zeigt. —

Unendlichfältig wirkt sich das Eine aus, das Alles ist, um sich in Einheit wieder zu finden, ohne jemals seine Unendlichkeit zu opfern.—

Liebe ist der innerste Ursprung dieses Seins!

Liebe ist sein nie endendes Leben!

Liebe ist seine urewige Tat!

Der auf Golgatha starb aber war das vollkommenste Gefäß dieser Liebe, das je auf Erden sich dargeboten hatte, der Liebe, die unendlich ist, obwohl sie in sich selbst ihre Grenzen kennt…

Wohl denen, die sein Wort aus aller Verschüttung herauserkennen!

Wohl denen, die ihn selbst im innersten Herzen zu finden wissen!

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