DAS BUCH VOM MENSCHEN


AUSKLANG

 

Wir haben nun den Menschen gesehen auf allen seinen Wegen.

Wir sahen ihn an seinem Ursprung, da er noch in Gottheit lebte, und sahen seinen „Fall” aus hohem Leuchten.

Wir sahen, wie er sich dem Tiere einte und in selbstgeschaffenem Exil sich müht, das Glück des Ursprungs wieder zu erreichen.

Auf Wegen des Irrtums und auf dem Wege zur Wahrheit haben wir ihn begleitet, und so erkannt, daß diese Erde nicht des Menschen Heimat werden kann, und daß es Wahrheit war, wenn einst ein Wissender zu sagen wußte: – –

„Alle Kreatur wartet der Erlösung durch die Kinder Gottes!” –

Du selbst, zu dem ich hier rede, – du selbst bist ein Mensch, und kannst zu einem „Erlöser aller Kreatur”, zu einem „Kinde Gottes”, einem der „Kinder des Lichtes” werden. – –

Du kannst auch freilich, wenn es dir genügt, als ein „Kind dieser Welt”, ein Gebannter der Außendinge, deine karge Freude finden.

Es liegt alle Entscheidung darüber einzig und allein nur bei dir, und nichts kann deinem Willen sich entgegenstellen, wenn du dich selbst einmal entschieden hast. –

Aber eben diese Entscheidung fällt dir vielleicht so bitter schwer.

Du möchtest nach dem höchsten Ziele streben, doch du willst noch nicht…

Wenn du erst wollen könntest, würde die Seligkeit des Wollenden dich mit einem Jubelruf aus allen Bedenken reißen. – – –

Gar sehr haben jene sich an dir versündigt, die dir den Weg zum Lichte als einen Weg der steten Entsagung und des Verzichtes beschrieben haben, und so deinen Willen, schreckgelähmt, an die Erde bannten. –

Du siehst aus meinen Worten, daß man dich falsch beraten hat, und daß dein Weg zum Lichte niemals dich zu hindern braucht, die Blumen und köstlichen Früchte an den Wegesrändern dir zu pflücken.

Du wirst sogar das Leben dieser Erde dann erst richtig lieben lernen, wenn du dich auf deinem Weg zum Lichte weißt. – – –

Dein Weg zum Lichte ist dein Weg zu dir selbst, und – zu deinem Gott, der sich in dir verhüllt.
Es ist der „lebendige” Gott, von dem ich spreche, und nicht ein „Gott” etwelcher Götzendiener.–

Gar leicht läßt der „lebendige Gott” sich finden, wenn du mutig ihm vertraust, noch ehe du ihn kennst, doch wird er immer ferner dir entschwinden, je ängstlicher du erst „Beweise” forderst, ob er denn auch wirklich sei, und ob die Kraft in dir sich finden lasse, ihm zu nahen…

Je weiter du dich so von ihm entfernst, desto mehr wird er dir entgleiten, so daß du zu einer Beute jener Außenwelt werden wirst, der du gebieten könntest, wärest du bewußt vereint mit deinem Gott. – – 

Es ist nur ein Bewußtseinsakt, der dir den Schlüssel gibt, mit dem du alle Pforten, die zu geheimster Weisheit führen, öffnen kannst…

Du lebst, selbst hier in diesem Außenleben, nur in dem Bereich, den dir dein Wissen um dich selbst entschleiert, – und viele, die am gleichen Orte leben, sind dennoch recht verschiedenartig ihrer bewußt, in den verschiedensten Erlebniswelten, die das Reich der Außenwelt in sich beschließt. – –

Du hast dich aber an das Dasein dieser Außendinge so verhaftet, daß es dir schon ein „Wunder” scheinen mag, wenn du von einem Menschen hörst, der eine Überwelt bewußt betreten kann, die du kaum ahnst, weil dein Bewußtsein nur in Rhythmen schwingt, die sehr verschieden sind, von jenen Schwingungswellen, die das Reich der Überwelt dem anderen offenbaren…

Das Äußere ist dir die wahre „Wirklichkeit”, und nur mißtrauend wendest du dich an dein Innenleben, in dem du „Ein-Bildung” und Phantasie allein am Werke glaubst.

Auch hier gilt, was ich vordem sagte: – –

Du kannst die „Wirklichkeit” im Innern niemals finden, wenn du nicht mutvoll ihr vertraust, bevor du sie noch kennst…

Du wirst dich immer weiter von der Wirklichkeit entfernen, je mehr du ängstlich dich vor „Täuschung” fürchtest, und erst „Beweise” haben willst, wo der „Beweis” dir nur als Krone deines muterfüllten Strebens winkt. –

Du tust sehr wohl daran, und dein Bewußtsein hat dich gut geleitet, wenn du in dieser Außenwelt stets erst „Beweise” haben willst, bevor du ihr vertraust, denn diese Welt der Außendinge ist wahrhaftig eine Welt der Täuschung, und selbst die „Beweise”, die sie dir gewähren kann, sind selten von Täuschung frei. –

Du bist so sehr gewohnt daran, in einer Welt der steten Täuschung dich zu sichern, ehe du handeln willst, daß du auch in der Welt der „Wirklichkeit” den gleichen Arg wohn nötig glaubst. –

In deiner „Wahrheit” die dir durch „Beweise” unantastbar wurde, ist so viel plumpe oder feine Täuschung, daß du je des Maß verloren hast, – und wenn du wirklich einmal auf die Spur der wahren Wirklichkeit gelenkt, die absolute Wahrheit findest, dann scheuchst du ängstlich sie von dir, weil du dich nur in eitlem Täuschungs wahn befangen glaubst, und längst schon deiner „Wahrheit” Sklave bist. – – –

Du wirst erst völlig neue Wege gehen lernen müssen, bevor du einst zur Wahrheit, wie sie wirklich ist, gelangen kannst!

Hier wäre wahrlich eine neue Wertung aller Werte sehr vonnöten!

Der „Denker”, die sich ihre „Wahrheit” neu erdenken, wird kein Ende sein, und gibst du mit erdachter „Wahrheit” dich zufrieden, so wirst du leichthin jede Formung finden können, die deinen Vor-Urteilen und deinem Außensinn behagt.

Doch, willst du zu der Wahrheit selber kommen, so wie sie ist, und strahlend wirkt in ewig neuer Wirklichkeit, dann wirst du in dir selber suchen müssen, und nur in deinem tiefsten Innern wird die
Wahrheit sich dereinst entschleiert zeigen.

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Dann wirst du klar erkennen, was dieses Buch dir sagen will.

In seiner neuen Formung*, wie du hier sie in den Händen hältst, suchte ich noch manches klarer zu gestalten damit kein Zweifel mehr aufkommen könne, wie du meine Worte deuten sollst, auf daß sie dir zum Segen werden.

Doch auch die klarste Form der Rede wird dir wenig nützen, wenn du nicht in dir selber danach strebst, dich selbst zu lichter Klarheit zu erheben. –

Bist du selber klar in dir geworden, dann wird dir wohl keines meiner Worte fürder „dunkel” bleiben, denn was ich dir zu künden komme, ist in sich selber „Licht”, und wer zum Lichte will, der wird hier finden was er sucht. –

Ich gebe gerne zu, daß ich gar oft in diesem Buche Dingen die sich schwer erklären lassen, Worte schaffen muß, und daß solche Worte dann nur williger Einfühlung sich erschließen.

Aber wenn dir einer von einem Lande Kunde bringt, in dem Gold zu ergraben ist, so wirst du gewiß nicht daran Anstoß nehmen, daß er nur schwer den Weg dahin, den du nicht kennst, beschreiben kann…

Nun denn: – auch ich beschreibe dir hier einen Weg der dich zu einem „Goldlande” bringen soll!

Es ist der Mühe wert, meine Worte recht deuten zu lernen…

Und mangelt dir nicht der Mut, den Weg den ich dir weise, freudig zu beschreiten, so wirst du wahrlich – in dir selbst das reichste Goldland finden, das kein anderer dir jemals streitig machen kann. – – –